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Stimmig zur Person

Updated on: May 30, 2024

Aus dem Buch „David gegen Goliath” von Günter Faltin.

Stimmig zur Person

Viele Theoretiker des Entrepreneurship bauen ihr Argumentationsgebäude auf dem Konzept der Opportunity Recognition auf.157 Man entdeckt eine Gelegenheit, erkennt die Chance in ihr und mobilisiert Ressourcen, diese Gelegenheit zu nutzen. Am besten rasch, bevor andere ebenfalls die Ge­legenheit erkennen und handeln. Diese Vorgehensweise ist jedoch nicht unproblematisch, weil sie die Person des Gründers außer Acht lässt. Willst du auf unabsehbare Zeit etwas tun, das keinen Sinn für Dich macht und Deine Lebensgeister mehr betäubt als weckt? Der hocherfolgreiche Mehrfach-­Gründer Holger Johnson158 sagt: »Ich hasse Gelegenheiten.« Sie verführen dazu, wohldurchdachte Wege zu verlassen, ohne langfristige Perspektiven zu eröffnen. Gelegenheiten seien temporäre Phänomene. Auf diese Weise zu gründen sei jedenfalls kein Weg zu mehr selbstbestimmter Arbeit und einem geglückten Leben.


»Go for a cause«, sagt Guy Kawasaki in seinem Klassiker The Art of the Start.  Setze dich für ein Anliegen ein. Wichtig dabei ist, dass die Frage der Stimmigkeit zur Person nicht beiseite geschoben wird. Die große Chan­ce des Entrepreneurship und des Gründers liegt doch gerade darin, sich eine Aufgabe zu wählen, die mit den persönlichen Neigungen und Talenten, aber auch den eigenen Wertvorstellungen im Einklang steht.

Der Gedanke, dass das unternehmerische Konzept stimmig zur Person sein sollte, ist keineswegs selbstverständlich. Bei Förderprogrammen geht es nicht um Dich, deine Talente oder deine persönlichen Vorlieben. Die staatli­chen Programme haben den Beschäftigungseffekt Ihrer Gründung im Auge. Weil man hofft, dass du durch deine Gründung weitere Arbeitsplätze schaffen kannst.

Auch Kapitalgeber tragen nicht Ihre persönlichen Anliegen im Herzen. Sie wollen Erfolge sehen. Venture Capital setzt Ihnen Milestones, die Ihnen den Takt vorgeben. Schnelles, hohes Wachstum ist das Ziel. Wehe, Du schaffst es nicht. Dann wird der 110 ­"Seiten‚"- Vertrag, den gewiefte amerikanische Wirtschaftsjuristen aufgesetzt haben, gegen Dich exekutiert. Ich bedaure die Gründer, die mehr Zeit mit der Vorbereitung von Finanzierungsrun­den verbringen als mit der Arbeit an ihrem Konzept.

Und die Gründer selbst? Gehen sie von der eigenen Person aus? Keineswegs. Die Vorstellung, dass erfolgreiches Gründen mit einer zündenden Idee zu tun hat, ist tief verankert. So als käme es auf den Einfall an, so als würde ein genialer Blitz Licht ins Dunkel der Möglichkeiten bringen. Aber damit kommen wir nicht weiter. Das, was wir an genialen Erfindungen oder bahnbrechenden Ideen kennen, ist meist das Ergebnis langjährigen Bemühens und hartnäckig konsequenten Bearbeitens eines Problems. Dies durchzuhalten setzt voraus, dass das Anliegen Ihnen wirklich am Herzen liegt. Der Genieblitz steht, wenn überhaupt, am Ende, nicht am Anfang eines solchen fordernden Prozesses.

An der Person des Gründers vorbeizudenken wäre ein schwerer Fehler.

Klar – es geht auch um den Markt. Es geht darum, etwas anzubieten, was von den Marktteilnehmern gebraucht und nachgefragt wird. Aber widerspricht das notwendig der Auffassung, den Gründer und seine persönlichen Nei­ gungen in die Betrachtung miteinzubeziehen? Wenn es um die Wahl des Berufs geht, gehen wir doch auch von der Person aus, auch wenn im Markt für andere Berufe momentan mehr Nachfrage besteht. In Sachen Berufswahl leuchtet uns unmittelbar ein, dass wir die Persönlichkeit des Wählenden nicht beiseiteschieben sollten. Warum also nicht auch bei der Wahl des Gebietes, auf dem ich mich als Gründer betätigen will? Entre­preneurship ist auch ein Beruf, sogar mit der Chance, näher an die Vor­stellung von »Berufung« zu kommen als in abhängiger Beschäftigung. Wenn Du also nur vom Markt her denkst, läufst du Gefahr, ähnlich fremd­ bestimmt zu arbeiten wie als Angestellter. Wenn du aber nur von der Person her denkst, läufst du Gefahr, eine Art Künstlerdasein zu führen, mit Elementen von Selbstverwirklichung zwar, aber wenig wirtschaftli­chem Erfolg. Du solltst also immer beide Perspektiven im Blick haben. Der Markt ist das Kraftfeld, aus dem Ihr geplantes Unternehmen seine Energie bezieht. Ihre Kunden sind Ihre Energielieferanten – und das Lebenselixier Ihres Unternehmens. Aber wenn das Gründungskonzept nicht auch stimmig zur Person des Gründers ist, gehst du ein hohes Risiko ein, dass Ihre Energie, Leidenschaft und Ausdauer nicht ausreichen, den lan­ gen Weg vom ersten Einfall zum ausgereiften Konzept, zur erfolgreichen Markteinführung und schließlich zum Aufbau und Wachstum eines er­ folgreichen Unternehmens gehen zu können.

Malcolm Gladwell hat die These bekannt gemacht, dass es mindestens 10.000 Stunden Beschäftigung mit einem Thema braucht, um Meister­ schaft in einem Fachgebiet zu erreichen. So viele Stunden – wie soll man die Zielstrebigkeit und Selbstdisziplin aufbringen, wenn das gewählte Gebiet nicht den eigenen Neigungen entspricht und keine Freude macht? Überfordern wir uns als Gründer dann nicht zwangsläufig? Die meisten Menschen glauben, dass man als Gründer eiserne Disziplin mitbringen muss. Das ist nur halb richtig. Ja, Disziplin braucht es, aber noch wich­tiger ist Begeisterung. Wenn es nur Disziplin ist, die uns zur Arbeit bringt, halten selbst willensstarke Menschen nicht lange durch. Begeisterung ist das wirkungsvollere Element.  Es lässt uns die Mühen und Anstrengun­gen – wie beim Sport – leichter wegstecken, ja oft gar nicht als solche empfinden.

Von Konfuzius stammt der Satz: »Wenn du das tust, was du gerne tust, musst du dein Leben lang nicht arbeiten.« Ein wundervoller Gedanke. Aber schwer umzusetzen. Als abhängig Beschäftigter richtet sich die Ar­beit, die Ihnen vorgegeben wird, nicht danach, ob sie Dir gefällt, ob sie deine Talente und Neigungen zum Klingen bringt. Anders beim Entrepre­neurship. Du bist es, der das Metier wählt, auf dem du antreten willst. Und es bist du als Gründerin oder Gründer, die entscheiden können, welche Arbeit du abgeben und welche Tätigkeiten du selbst erledigen wollen. Damit eröffnet sich für Dich die Chance, tatsächlich einen »Beruf« auszuüben, der deiner Berufung nahekommt. Im Englischen klingt es noch prägnanter und eindrucksvoller als im Deutschen: »Earn your living by living your dream«.  Erst auf diese Weise wird der Satz von Konfuzius zu einem Ferment, das unser Leben – und wie wir darin arbeiten – radi­ kal verändern kann. 

Last updated on 5/30/2024.

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